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Das Freiburg Institut

Meinungsbeitrag Peter Behrendt

Gedanken zu einer agilen Pandemie-Gesellschaft & -wirtschaft

In der Diskussion über die Länge des Shut-Downs wurde zwischen dem gesundheitlich notwendigen Schutz vor Ansteckung und der (Un-)Möglichkeit, das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben mittel- bis langfristig anzuhalten, abgewogen. Die Einen riefen nach Verständnis und Durchhaltevermögen. Die Anderen riefen nach möglichst schneller Wiederöffnung. Die Fortschritte in dieser Diskussion waren begrenzt und die beiden Pole standen sich scheinbar relativ unvereinbar gegenüber.

Letztlich ist eigentlich Jedem klar, dass es beides braucht: Wir brauchen, wenn kein plötzliches Wunder geschieht, sicher noch 4-12 Monate wirksamen Schutz vor der ansonsten schnell wieder grassierenden Ansteckung UND einen Schutz vor gesellschaftlicher Paralyse und wirtschaftlichem Kollaps. Daher ist aus meiner Sicht die wichtigste Frage nicht, wie lange können wir den Shutdown gesellschaftlich ertragen, durchhalten und zumuten - sondern: Wie können wir unsere gesellschaftlichen Organisationen so schnell und umfassend wie möglich auf eine agile Pandemiegesellschaft und -wirtschaft umstellen. Wir brauchen nicht Schutz oder gesellschaftliche Aktivität, sondern so viel wie möglich von beidem. Es geht m.E. eben nicht um Durchhalten, sondern um flexible Anpassung. Es geht eben nicht um Rückkehr zum Normalzustand, sondern um schnellstmögliche Neuausrichtung von Gesellschaft und Wirtschaft. Schulen müssen so schnell wie möglich umfassend erlernen, wie sie die Lernenden so effektiv wie möglich persönlich, interaktiv und lebendig mittels Online-Lernformaten begleiten können, ohne dabei die Schwächsten zu verlieren oder gar nicht erst zu erreichen. Unternehmen und Soloselbständige brauchen nicht nur eine Förderung zum Überleben des Shutdowns, sondern ganz besonders eine Begleitung, Ihre Businessmodelle und Funktionsweisen so schnell wie möglich den neuen und sicher immer wieder verändernden Bedingungen der Pandemiegesellschaft anzupassen. Wir brauchen die Förderung dringend, gleichzeitig ist es für unsere Gesellschaft essentiell, dass diese so wenige wie möglich in Anspruch nehmen, wenn wir auch in einem halben Jahr noch eine handlungsfähige Gesellschaft haben wollen.

Wir haben in den letzten 2-3 Wochen vielen Unternehmen dabei geholfen, ihre Funktionsweise auf die neuen Bedingungen des Homeoffice anzupassen. Wir haben Führungskräfte im Umgang mit steigender Unsicherheit in Ihren Teams geschult und tun dies immer noch. Um funktionsfähig zu bleiben, ist es aktuell entscheidend, trotz der erschwerten Bedingungen des Homeoffice mit seinen Teams den guten, effektiven und vertrauensvollen Kontakt zu stärken. Im Angesicht der unsicheren Veränderungen braucht es flexiblen Fokus, stärkende Positivität und gegenseitiges Vertrauen mehr denn je. Und diese sollten von Führungskräften vorgelebt und gezielt gestärkt werden. Das benötigt deutlich mehr Zeit für Führung, die gemeinsame Anpassungsleistung in den Teams und auch deutlich mehr persönliche Sensibilität und soziale Kompetenz von Führungskräften und Kolleg*innen. Und es braucht neue Kompetenzen in der Nutzung der Onlinetools und -methoden, um virtuelle Teammeetings lebendig und interaktiv zu gestalten oder auch sensible Diskussionen wirklich offen und konstruktiv auszudiskutieren oder kreative Prozesse zu moderieren. Das sind neue Basiskompetenzen für eine agile Pandemiewirtschaft und -gesellschaft.

Für die nächsten Wochen steht darüber hinaus eine noch wichtigere Frage an, die für die nächsten Monate entscheidend sein wird: Wie können wir die Businessmodelle der Unternehmen den neuen Rahmenbedingungen anpassen. Viele Businessmodelle und Unternehmenszwecke sind wahrscheinlich für Wochen oder Monate, vielleicht sogar 1-1,5 Jahre unmöglich oder zumindest deutlich erschwert. Die Fähigkeit unserer Gesellschaft, diese Krise erfolgreich zu bewältigen, hängt davon ab, wie agil und kreativ unsere Organisationen sind, sich diesen Bedingungen flexibel anzupassen. Hierin gibt es viele Abstufungen. Manche Organisationen haben weiterhin einen wichtigen Sinn, aber es ist für Sie deutlich erschwert, Kontakt zu Ihren Partnern oder Kundinnen aufzunehmen. Andere Menschen und Organisationen sind noch viel stärker in Ihrem eigentlich Sinn durch die Pandemiegesellschaft bedroht: Künstler, Gastronomie, Tourismus, lokaler Handel... In diesen Fällen geht es darum, Menschen und Organisationen darin zu begleiten, sich so schnell wie möglich auf die neuen Bedingungen einzustellen, neue kreative Lösungen zu finden, um sich umzustellen und nicht bloß "durchzuhalten".

Es braucht Lösungen auf Fragen wie "Wie können Firmen in Kurzarbeit, andere Firmen unterstützen, die gerade ihre Aufgaben kaum noch bewältigen können?", "Welche gesellschaftlichen Herausforderungen brauchen mehr Aufmerksamkeit und welche weniger?", "Wie können wir gesellschaftliche Ressourcen wie Material, Räume sowie menschliche Arbeitszeit und Kreativität möglichst schnell den drängenden Fragen dieser Zeit zukommen lassen?", "Was wollen wir als Gesellschaft bewahren und was auch nicht - vom lokalen Geschäft um die Ecke bis zur globlen Fluggesellschaft?", "Welche neuen Netzwerke, Unterstützungsformen und Prozesse braucht es dafür?". Diese Fragen brauchen sehr spezifische Antworten in vielen verschiedenen Branchen und Gesellschaftszweigen. Und dafür braucht es Austauschforen und Vernetzung.

Hierin liegt die große Herausforderung für die nächsten Wochen und Monate. Es ist nicht die Frage, wie lange wir durchhalten können, sondern wie wir diese Zeit nutzen, um die notwendigen Veränderungen zu gestalten - die notwendigen und die gesellschaftlich wünschbaren. Hierin liegt die größte Chance der Krise: Denn eins ist klar, den Status Quo gibt es nicht mehr. Nun gilt es, das Heute und das Morgen gemeinsam kreativ zu gestalten.

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